DIE KÜCHE MEINER ELTERN
- 2002
Die Küche meiner Eltern
Eine Konstruktion aus mattweiß gestrichenen Dachlatten, zu einem rechteckigen Gebilde zusammengeschraubt, umschreibt bei näherer Betrachtung einen L-förmigen Innenraum: Zwei niedrige Türen, drei Bogen-Fenster, Verwinkelungen wie man sie häufig in alten Häusern findet, eine Eckbank gegenüber der linken Tür, ein Tisch davor, eine Küchezeile auf der anderen Seite, Hängeschränke. Es werden jedoch nicht die realen Gegenstände gezeigt, sondern der “Luftraum” des Zimmers, der Raum also, welcher von den Gegenständen, Wänden und Möbeln ausgespart wird.
Das Gerüst aus Ecken und Kanten wirkt wie die Skizze eines Architekten, der diesen Raum bauen möchte. Doch der Raum existiert bereits. Es ist “Die Küche meiner Eltern”, sagt Michael Schrattenthaler, in den Maßen 1:1 nachgebaut. Die Darstellung ist auf ein Minimum reduziert, auf die Linien, die notwendig sind, um den negativen Raum anzudeuten. Die Arbeit ist so stark minimiert, so weit bis kaum mehr Sichtbares übrig bleibt.
Ein bestehender Raum wird also abstrahiert, seiner Wände entkleidet, aufgebrochen, transparent gemacht. Er öffnet sich und wird durchlässig. Aus der Geborgenheit eines geschlossenen Raumes wird ein offenes durchsichtiges Modell. Die einst heimelige und urige Küche des alten Bauernhauses wandelt sich in einen durchsichtigen, leichten Raum. Ist es überhaupt noch ein Raum oder ist nur noch die Idee übrig? Zeichnen die rauhen Dachlatten wie ein leichter Bleistiftstrich eine Erinnerung auf, an das, was war?
Der Verlust der Wände und somit der Geborgenheit bringt aber auch einen Zugewinn. Der Blick wird frei, auf Dinge, die außerhalb des Raumes liegen und die bisher durch die Wände verstellt waren. Austausch wird möglich. Der Betrachter kann die Arbeit betreten. Er kann die Auflösung des Raumes von außen wie von innen erfahren. Michael Schrattenthaler spielt auch hier mit der Wahrnehmung. Das Besondere wird hervorgehoben, sei es indem es verdeckt wird wie bei der Installation “Vorhang” oder durch die Renovierung eines bestimmten Raumteils wie im “Musteratelier” oder in “Die Perle”. Auch bei der Installation “Die Küche meiner Eltern” werden Dinge ausgespart, um klar zu machen, was diesen Raum zur Küche der Eltern macht. Wie das Skelett eines Hauses, in der Demontage begriffen, zeigen sich schemenhaft die Reste eines Ortes. Wie ein Traum, in dem sich etwas aufzulösen beginnt, weichen die Wände, die sowohl für Geborgenheit als auch für Enge stehen können.